Vinzenz R. Dorn
Bilder & Bericht

Festakt zum Jubiläum des Heimatmuseums Schnaittach

Breit gespannte Würdigung der Geschichte und Bedeutung des Museums – anschließend zwanglose Gesprächsrunden am Büffet

FESTAKT

Feierlich, jedoch in entspannter Atmosphäre – so beging das Heimatmuseum in Schnaittach am Freitag sein 100jähriges Bestehen mit einem dem Anlass angemessenen Festakt im gediegenen Saal des Sparkassengebäudes.
Eingeleitet worden war das Jubiläumsjahr mit einer Fotoausstellung im Rathaus (die PZ berichtete), auf die Bürgermeister Frank Pitterlein in seinem Einführungsstatement hinwies, welches er unter die Überschrift „Geschichte lebt, Geschichte bildet“ stellte. Neben der Begrüßung zahlreicher Ehrengäste beschäftigte er sich intensiver mit dem schwierigen Umfeld der Gründungszeit. Die Weimarer Republik kämpfte mit den Nachwehen des 1. Weltkriegs, einer galoppierende Inflation und zunehmenden Radikalisierungstendenzen. Dennoch engagierten sich sieben Schnaittacher Bürger für den Erhalt von Alltagsgegenständen aus ihrem soziokulturellen Umfeld, und dieses Engagement, so Pitterlein, trüge auch heute noch das Museum, dessen Pflege vom Museums- und Geschichtsverein (MuGS) und der Marktgemeinde verantwortlich wahrgenommen werde.
Isabel Reindl, Leiterin der Dienststelle Weißenburg in der Landesstelle für nichtstaatliche Museen und damit zuständig für Mittelfranken, verwies in ihrer Ansprache darauf, dass „Schnaittach der Prototyp eines Heimatmuseums“ sei. Mangels ausreichender Räumlichkeiten gäbe es keine „runderneuerte“ Ausstellung, wohl aber einen umfangreichen Fundus, dessen Bestand nun mit wissenschaftlichen Methoden aufgearbeitet werde. Dabei sei die Sammlung in doppelter Hinsicht relevant: Wegen der zahlreichen Gegenstände aus dem ländlichen Raum und weil sie eng mit dem Landjudentum verbunden sei. Die Landesstelle unterstütze den Erhalt und eine adäquate Wertevermittlung im möglichen Rahmen.
Bezirkstagspräsident und Landrat Armin Kroder gratulierte der Marktgemeinde und dem zuständigen MuGS zum Doppeljubiläum (der Verein feiert 2023 sein 25jähriges Bestehen). Mit dem Heimatmuseum habe Schnaittach einen Schatz, der weit über die Region hinaus Beachtung fände, aber auch eine große Verantwortung für dessen geschichtliche Aufarbeitung. Er hoffe auf den Dreiklang, dass „wissensbasiert die Herzen der Menschen erreicht werden und daraus verantwortliches Handeln erwächst“. Er sehe das Jubiläum als „Startpunkt für eine Entwicklung zu einem bayernweiten Vorbild“ und sagte die Unterstützung des Landkreises zu, wo immer die möglich sei.
Der Vorsitzende des MuGS Norbert Weber präsentierte das Motto des Jubiläumsjahres „Nichts bleibt, wenn man sich nicht darum kümmert“ und bedankte sich bei Bürgermeister, Hauptverwaltungsleiter Florian Kastner und Markträten für die konstante Solidarität mit den Anliegen von Museum und Verein.
Den Festvortrag gestaltete Ina Schönwald mit einer ausführlichen Würdigung der hundertjährigen Geschichte des Museums. Vom schwierigen Beginn mit der räumlichen Beengtheit, die durchgängig bis heute die Sammlung begleitet, über die Situation in den drei Ausstellungs-Standorten Prager-Haus (heute Jumbo-Apotheke), Sanitätskolonnenhaus (an dessen Stelle heute eine Wohnanlage steht) und im Gebäudekomplex des heutigen Jüdischen Museums schritt sie zu den Bemühungen, das umfangreiche Sammelgut zu archivieren, zu dokumentieren und vor allem zu erhalten. Als zentralen Aspekt der Museumsgeschichte befasste sie sich eingehend mit Gottfried Stammler, dessen fast manisch zu nennende Sammelleidenschaft über mehrere Jahrzehnte ein riesiges Konglomerat an alltäglichen Gebrauchsgegenständen, Christbaumschmuck, religiöser Kunst und Zeugen jüdischen Lebens zusammentrug.
Schönwald arbeitete in ihrem ausgewogenen Vortrag mit wissenschaftlich-analytischer Herangehensweise, historischen Belegen und Zitaten aus dem Tagebuch Stammlers dessen Verdienste heraus, beleuchtete jedoch ebenso differenziert die problematischen Aspekte seines Lebens. Die umfangreichen Dokumente, die sie hierfür auswertete, beschrieben den stolzen Handwerker, fleißigen Sammler und engagierten Museumsleiter mit seinen Stärken und Schwächen vor dem Hintergrund der sozialen und politischen Rahmenbedingungen.
Die Bemühungen von Leonhard Wittmann, Adalbert Gartner und Gerhard Renda, die Materialien sachgerecht zu behandeln und zu präsentieren, rundeten das Bild des Museums im Zeitablauf der hundert Jahre ebenso ab wie der Zusammenhang mit den jüdischen Gegenständen und dem 1996 gegründeten Jüdischen Museum Franken. Kurz ging Schönwald auch auf den MuGS ein, der sich seit 25 Jahren verdienstvoll um das Heimatmuseum kümmert.
Hier setzte auch der finale Vortrag von Kunsthistorikerin Nicole Brandmüller-Pfeil an, die aktuell mit dem Bestand befasst ist. Sie stellte dar, dass bereits Stammler mehr als 4.000 Archivnummern vergeben hatte, was jedoch seinerzeit nicht den Endpunkt darstellte. Weil viele Gegenstände unsachgemäß gelagert waren („man wusste es damals nicht besser“), mehrfach umgelagert wurden und wegen der zahlreichen Depots der Überblick verloren ging, sind heute viele Stücke verschwunden, nicht mehr reparabel oder noch nicht erfasst. Ihre Aufgabe sei es, das vorhandene Material komplett zu inventarisieren, kulturhistorisch einzuordnen, zu restaurieren oder restaurieren zu lassen und mit Fotos zu dokumentieren. Danach sei ein modernes Ausstellungskonzept zu entwickeln.
Zum Ende der Redebeiträge lud Pitterlein die Anwesenden ans Büffet ein, das im Foyer des Sparkassensaals von Mitgliedern des MuGS appetitlich aufgebaut worden war. Dem wurde kräftig zugesprochen. In zwanglosen Runden entwickelten sich fachliche Gespräche und Small-Talk, wurden neue Kontakte geknüpft und alte gefestigt. Die gesamte Veranstaltung begleitete Dominik Dachs mit schwungvoller Musik auf Akkordeon, Gitarre und gesanglich.

Vinzenz R. Dorn

FESTAKT

100 JAHRE Heimatmuseum

FESTAKT

100 JAHRE Heimatmuseum

Vinzenz R. Dorn
Bilder & Bericht

Das Heimatmuseum in Schnaittach wird 100 Jahre

Eine Foto-Ausstellung im Rathaus bildet den Auftakt zum Jubiläumsjahr 2023

Foto-Ausstellung

Mit einer Fotoausstellung eröffneten Bürgermeister Frank Pitterlein und Norbert Weber, 1. Vorstand des Museums- und Geschichtsvereins Schnaittach, am Dienstag die Veranstaltungsreihe zum 100jährigen Jubiläum des Heimatmuseums. „Wos is edz dees?“, artikulierte Weber die meistgestellte Frage bei der derzeit noch laufenden Dokumentation der Materialien, weil sich die ursprüngliche Verwendung heutzutage oft kaum noch erschließt. Insofern ist der Museumsvorstand seinen Vorgängern sehr dankbar, dass sie seinerzeit viele Gegenstände beschrieben und erklärt haben. Mindestens genauso dankbar ist er, dass die Marktgemeinde mit Nicole Brandmüller-Pfeil eine sachkundige Kunsthistorikerin beschäftigt, die das nahezu unüberschaubare Archivgut mit wissenschaftlichen Methoden erfasst. Pitterlein verwies in seiner Einführung darauf, dass das Museum eines der ältesten seiner Art im weiten Umkreis ist, eine der bedeutendsten überregionalen Sammlungen beheimatet und viele geschichtliche Epochen der Marktgemeinde dokumentiert. Etwa 40 Personen, darunter Bürgermeister Perry Gumann von der Nachbargemeinde Simmelsdorf-Hüttenbach, die Altbürgermeister Klaus Hähnlein und Georg Brandmüller und Pfarrvikar Pater Ashok, folgten Weber und Klaus Nuss durch die Fotoausstellung in zwei Stockwerksfluren des Rathauses.
Die offizielle Geschichte des Heimatmuseums Schnaittach begann am 2. Februar 1923, als sich im Reiser-Haus (heute Weber) am Marktplatz sieben Herren zusammensetzten, um „eine Sammlung altertümlicher Gegenstände und ihre Ausstellung“ zu begründen: Hans Bezold, Josef Lang, Johann Schmidt, August Wörler, Georg Weber, Josef Winter sowie Gottfried Stammler. Letzterer hatte allerdings schon lange vor diesem Datum begonnen, landwirtschaftliche, handwerkliche und religiöse Gegenstände zusammenzutragen. Seine fast schon manisch zu nennende Leidenschaft hatte zu einer immensen Anzahl von Sammelstücken aus dem historisch umgrenzten Bereich geführt, das zunächst zu den Ganerben auf dem Rothenberg und dann zu Bayern gehörte und als Enklave im von der Reichsstadt Nürnberg beherrschten Gebiet lag.
Noch im selben Jahr wurden im Prager-Haus (heute Jumbo-Apotheke) zwei Räume angemietet, die jedoch eher einem Raritätenkabinett glichen denn einem Museum. Eine offizielle Einweihung gab es nicht. Die wurde erst 1929 zelebriert, als das Museum in das Haus der Sanitätskolonne umgezogen war. Im sogenannten „Kolonnenhaus“ (heute Neubau einer Wohnanlage) konnten 1928 erst vier, später sieben Räume im ersten Stock eingerichtet werden. Weil der Zustrom an Archivalien jedoch anhielt, wurde es auch hier bald zu eng.
1938 wurde die jüdische Gemeinde Schnaittachs endgültig zerschlagen. In den turbulenten Tagen, die ihren Höhepunkt in der Reichskristallnacht fanden, gelang es Stammler, die jüdische Synagoge mit den Nebengebäuden zu retten und viele Kultgegenstände in die Sammlung des Heimatmuseums zu integrieren. Die Gebäude waren, wie ein Museumsführer aus dem Jahr 1939 belegt, bereits für die Neuaufstellung des Museums vorgesehen.
Diese Neuaufstellung erfolgte nach Kriegsende. Die komplette Synagoge mit Rabbiner- und Vorsängerhaus, insgesamt 21 Räume, war mit den Ausstellungsgegenständen belegt. Eingeweiht wurde der nunmehr dritte Standort des Museums am 30.April 1949.
In den Jahren nach dem Krieg gingen viele jüdische Objekte an die Kultusgemeinde Nürnbergs und an jüdische Museen in Jerusalem, New York und Los Angeles, was unterstreicht, wie bedeutend die Sammlung des Heimatmuseums war – und noch ist.
1987 wurde das Museum wegen baulicher Mängel geschlossen. 1996 öffnete in der renovierten Synagoge das jüdische Museum Franken in Schnaittach seine Pforten, in dem sich nun alle noch vorhandenen Judaika des Heimatmuseums wiederfanden, immer noch die wohl umfangreichste Dokumentation des Landjudentums in Süddeutschland.
Am 11. Dezember 1998 konnte das Heimatmuseum Schnaittach erneut der Öffentlichkeit übergeben werden, nun beschränkt auf die Räumlichkeiten im Ober- und Dachgeschoss des Vorsängerhauses. Um die Museumsstücke kümmert sich seitdem der im selben Jahr neu gegründete Museums- und Geschichtsverein, dessen Gründungsvorstand Adalbert Gartner sich vorher und bis vor kurzem insgesamt 40 Jahre lang mit viel Energie um Präsentation, Erhalt und Inventarisierung der Archivalien gekümmert hat.
Es soll nicht verhehlt werden, dass die Umzüge, die beschränkte und früher notgedrungen wenig sachgerechte Lagerung dem Sammlungsgut empfindlich zusetzte und etliche Stücke unwiederbringlich verloren sind. Auch die Unterbringung in derzeit drei Depots im Rathaus, in der Grundschule und im Museumsgebäude ist ebenso suboptimal wie die des Museums selbst, das nur über enge und steile Treppen zu erreichen ist.

Vinzenz R. Dorn

Foto-Ausstellung im Rathaus

100 JAHRE Heimatmuseum